Der zweite Tag (23.05.2006)

Natürlich ist es keine kluge Idee bei SW 6 gegenan zu motoren. Nur haben wir keine andere Möglichkeit gesehen, anders mit dem Boot von Borsfleth in die Nähe von Otterndorf zu kommen.

Eigentlich ist der Segeltag schnell erzählt. In Borsfleth warteten wir den Beginn des Regens ab, starteten den Motor und stampften bei Wind gegen Strom gen Westen. Als wir gerade an der Südrede vor Brunsbüttel vorbeikamen, ging ein Frachtschiff mit seinem Anker auf Drift. Ich hoffe, wir hatten damit nichts zu tun. ;o)

Der Tipp von Kaschi Heuer, den Anker und die Kette vom Bug zu nehmen, war ein großartiger Tipp. Skrollan geht viel besser durch die Welle und bohrt sich nicht so fest. Trotzdem tauchten wir mitunter bis zu den Klampen auf dem Vorschiff ein. Die Erleichterung war groß, als wir endlich die Ansteuerung Oste passiert hatten und mit achterlichem Wind in die Oste reinglitschen konnten.

Der Yachthafen Neuhaus am Ostelauf (nicht der Stadthafen) liegt wunderschön gelegen direkt zwischen großen Schilfgürteln. Der Hafenmeister ist für jeden Scherz zu haben und sehr hilfsbereit. Beim Anlegen steht grundsätzlich ein sehr starker Strom. Deshalb immer gegen den Strom anlegen. Das Boot ist rückwärts schwer zu kontrollieren. Man kann in Boxen oder längsseits am ersten Schlengel festmachen.

Als wir anlegten half uns Moritz, den wir dann bei Abendessen, Bier und Skat kennenlernten...

Zur Verwunderung aller, löste meine Rettungsweste aus, als wir angelegt hatten. Das waren wohl ein paar Wellen zuviel, die uns über den Tag entgegenkamen. Naja, wenigstens hätte sie im Notfall funktioniert ;o)

Es war einfach herrlich anzukommen und den Tag in so schöner Umgebung ausklingen zu lassen. Zumal bei Ankunft in Neuhaus, der Himmel aufklarte und herrlicher Sonnenschein unsere Laune aufhellte und unser Boot durchtrocknen ließ.

Oste oder Orinoko - oder die bewusstseinserweiternde Wirkung von Schilf

Wenn ich manchmal gefragt werde, wohin ich in den Urlaub fahre und antworte wahrheitsgemäß "Ooch, son büschen auf der Elbe segeln", ernte ich häufig ein erstauntes "Ach?! Ach was?". Wenn ich dann auch noch von Stade, Borsfleth oder Otterndorf schwärme, scheine ich ein paar Mitmenschen ernsthaft zu verwirren.

Woran das wohl liegen mag, dass ein "richtiger" Urlaub nur ein Urlaub sein kann, bei dem man seinen Körper mehrer hunderte oder tausende Kilometer von zu Hause entfernen muss?

Woran das liegt, kann mir aber auch egal sein. Ich habe festgestellt, dass eine Nachtfahrt auf der Elbe mindestens genau so aufregend ist, wie im Mittelmeer. Dass das Ankommen in Neuhaus genau so schön ist, wie die Ankunft in Ciutadella und ein Sonnenbrand in Borsfleth genau so runzelig macht, wie einer aus Porto Christo.

Und mal ehrlich, wer kennt denn die Oste von der Wasserseite, oder wer ist schon mal entspannt durch Neuhaus spaziert?

Jetzt sitze ich hier und mein Blick schweift über den dichten Schilfgürtel. Ein Reiher steht am Saum und wartet auf sein Frühstück. Weihen kreisen über dem Schilf und ein Entenpaar sitzt dösend am Schilfrand.

Mit Skrollan kommt man sich wie ein kleiner Entdecker vor... Wie Alexander von Humboldt auf dem Orinoko.

...Wir passierten das Osteriff und orientierten uns an den ins Wasser gerammten Reisigbesen, die die einheimischen Stämme als Navigationshilfe ausgebracht hatten. Eine archaische Methode, vielleicht werden diese Reiser auch als Opferstöcke an Ihre Gottheit aufgestellt. Man weiß es nicht genau. Vorsichtig tasteten wir uns in die Oste vor und passierten ein Bauwerk, deren Funktion sich uns nicht sofort erschloss, vermutlich aber die Zufahrt für Einbäume feindlicher Stämme behindern sollte.

Nachdem ein Wilder uns unverständliche Worte in seiner Mundart zugebrüllt und wir mit dem hiesigen "Jojo" unsere friedlichen Absichten bekundet hatten, wurde ein über den Stromlauf gelegter Balken senkrecht gestellt und öffnete uns die Passage. Auf dem von Schilfgürteln umsäumten Flusslauf kämpften wir gegen die reissende Tidenströmung an. Aus dem Schilfdickicht beobachteten uns viele Augenpaare.

Ein Schauer lief uns über den Rücken, als uns eine der gefürchteten Oste-Bisam-Ratten entgegenschwamm. Sie drehte aber ab und wir konnten uns wieder auf die Schönheit dieses ursprünglichen Gewässers konzentrieren. Eine kleine Eingeborenenansiedlung ließen wir an Steuerbord liegen, weil wir aufgrund der unruhigen Überfahrt intensiveren Kontakt erst aufnehmen wollten, wenn unsere Lebensgeister wieder vollständig zurückgekommen wären.

Dann öffnete sich der Blick und Einheimische standen am Ufersaum und winkten uns freundlich zu. Sie deuteten an, dass dort eine Anlegestelle sei. Die Neugier gewann Oberhand über die Vorsicht und wir steuerten Skrollan ans Ufer. Gegen den reissenden Strom kämpften wir uns mit der Hilfe der Eingeborenen ans rettende Ufer und machten fest. Freudig erregt sprangen wir an Land, begrüßten die Einheimischen und wurden freundlich aufgenommen. Bewusstseinsverändernde Getränke wechselten von einer Hand in die andere und zum Dank für den freundlichen Empfang gaben wir ein Essen für die freundlichen Wilden. Es wurde lange gefeiert und palavert und berauscht von den Eindrücken des Tages fielen wir in unsere Hängematten.