April 2004
Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt

Nach der ersten Runde auf eigenem Kiel durch den Harburger Binnenhafen waren wir euphorisch. Trotz stümperhafter Einwinterung durch das unerfahrene Personal (uns!) hatte der Volvo Penta MD 2002 nach dem zweiten Anlasserjuckeln die Arbeit aufgenommen. Mir fielen ganze Felsen vom Herzen, weil wir die Einwinterung so dilettantisch vorgenommen hatten, dass ich um die Unversehrtheit der Kühlkanäle fürchtete. Da war aber alles in Ordnung und mein Vater (oh Wunder!) begab sich mit uns auf die Fahrt zwischen Channel-Tower und der Werft Jugend in Arbeit.

Hier sei nebenbei bemerkt, dass die Leute von Jugend in Arbeit einen tollen Job machen. Das Jugendprojekt arbeitet mit viel Herzblut historische Schiffe auf (u.a. den Lotsenschoner Elbe 5). Jugend in Arbeit e. V. gibt auf diese Art den jungen Menschen eine Perspektive mit einer umfassenden Kurzausbildung in Holz und Stahlverarbeitung in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Wir haben eine großartige Führung durch die Werft genießen dürfen und sehen mit viel Respekt zu den Menschen auf, die dort dieses Projekt am Laufen halten
(Hier ist der Link).

Nach unserer kleinen Jungfernfahrt, war bald der Mast gestellt und es hieß aus Harburg Abschied nehmen. Denn der neue Heimathafen sollte in Finkenwerder liegen. Wir waren zwischenzeitlich in die Segelvereinigung Finkenwerder Hamburg eingetreten und hofften dort einen Liegeplatz zu bekommen.

Ostern war es soweit. Wir verabschiedeten uns von Simone, Heinz und Herrmann und wünschten Thorsten mit seiner Blechlady weiterhin gutes Gelingen (Thorsten!!! Wir warten immer noch auf Bilder von Eurem Schiff!!!...und Nein, Nicole mit Blechlady meinte ich Euer Schiff, nicht Dich :o)).

Jan half uns die Überfahrt zu überstehen und begleitete uns. Es war herrliches Wetter, der Motor lief einwandfrei und wir konnten hinter Finketown bei leichter Brise sogar richtig segeln. Alles funktionierte und wir waren glücklich. Nach der kleinen Ausfahrt in Finkenwerder angekommen bekamen wir den ersten kleinen Dämpfer. Statt Claudia beim Festmachen zu helfen, tat sich ein Segelkamerad dadurch hervor Claudia darauf hinzuweisen, dass die Art des Festmachens ihm missfiele und so die Verzinkung der Öse durch den Festmacher abgescheuert werden würde und wir unser Boot wie eine Ziege angebunden hätten.

Jan ließ sich nicht davon abbringen, Worte wie „Schrebergärtner“ zu murmeln, was die Situation nicht gerade entspannte. Aber: Recht hatte er!

Ich hatte nach dieser ersten Begegnung mit dem Vereinsleben leichte Befürchtungen, was unsere Mitgliedschaft in dem Verein noch bringen würde. Mittlerweile bin ich heilfroh dort sein zu können. Wir haben dort echte Originale kennen gelernt und schon viel Spaß gehabt. Wir haben viel Unterstützung erfahren und man findet immer ein offenes Ohr und eine helfende Hand.

Es folgte der zweite Tag unter Segeln. Wir hatten uns vorgenommen Skrollan richtig ranzunehmen. Der Wind war danach. Gute 5 aus SW ließen Skrollan an Stade vorbeitoben. Jan probierte mit uns alles aus und es war wieder klasse einen so erfahrenen Segler dabei zu haben, der jede Frage geduldig beantwortete. Wir konnten mittlerweile mit fast jedem Werkzeug umgehen nur im Gebrauch unseres Schiffes waren wir noch ein wenig holperig. Aber mal ehrlich: zwei oder drei Wochen Chartern im Jahr machen noch keinen Röttgering
(http://www.seefieber.de).

Da macht es Sinn sich Fachleute an Bord zu holen und Jan ist so einer. Wenn man das hier so liest, könnte man meinen, wir bekämen Geld für die Lobeshymnen. Das ist nicht der Fall. Als Freund ehrlicher Worte formuliere ich das mal so: Wir haben schon so viele Dummschwätzer kennen gelernt, die, was weiß ich alles, schon gesegelt sind und immer hart und wer refft verliert usw... Da tut es gut, wenn man jemanden kennt, der einem erstmal die Basics ruhig nahe bringt.

Das ist zwar gerade nicht das Thema, aber in die Abteilung "Gröwaz" (Größte Weltumsegler aller Zeiten) muss ich noch mal kurz einsteigen.

Nordwest 6, Hafen Maasholm, letzte Stegreihe Richtung Schleimünde, Rennschlitten ca. 39 Fuss mit Carbonsteuerstand (!!!) hat schon zwei gescheiterte Anleger hinter sich und vom letzten ein kinderkopfgroßes Loch im Heckspiegel.

Auf dem Schiff sind ungefähr 8 Mann und Frau Crew. Unkontrolliert treibt der Schlitten quer zur Fahrtrichtung die Stegreihe entlang. Die Motormanöver des Skippers haben zur Folge, dass er sich mal der einen, mal der anderen Seite gefährlich nähert. Am Quertreiben ändert sich nichts. Dann schafft es jemand einen Festmacher über einen Poller zu legen... nur belegen tut er es nicht. So halten 4 Leute den Tampen und das Boot fest. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, bis das Ende belegt und eine Luv-Leine nach Achtern ausgebracht wird, die das permanente Abhalten von drei Leuten am Steg und 2 Mädels der Crew unnötig macht.

Als einer der Abhalter frage ich ein Mädel von der Crew, wer und wo denn der Skipper sei. Da antwortet die mir: "Das war der mit der gelben Segelkombi, der, als wir hier in der Box angelegt hatten…" (Einschub: das war keine Box und fest waren die auch noch nicht) "…auf den Steg gesprungen ist und noch ne bessere Box sucht... da hinten da läuft er!"

Ich habe den Mund fast nicht wieder zubekommen. Sein Boot vertreibt, seine Leute und 5 Leute von anderen Yachten mühen sich ab das Schiff fest zu kriegen und Skipper geht auf Wanderschaft. Nun denn. Damit aber nicht genug. Im Zuge der Unterhaltung stellte sich heraus, dass es sich bei der Mannschaft um einen Betriebsausflug handelte zu dem der Chef auf seiner Yacht eingeladen hatte. Bis auf einen hätte niemand Segelerfahrung.

Am Abend traf ich das Mädel wieder. Ich fragte sie, was sie denn morgen machen würden, es sei ja reichlich Wind (NW 6-7 in Boen 8) angesagt. Da sagte sie mir, dass sie natürlich nach Kiel weiterfahren würden. Schliesslich ständen dort ihre Autos und sie müssten auch alle morgen daheim sein. Das Loch sei mit Klebeband und Pappe geklebt und der Skipper wäre der Ansicht, dass das nicht zu viel Wind für sie sei.

Nun denn! Selbstbewusstsein ist eine feine Sache. Nach der gezeigten Leistung beim Anleger, hätte ich mit meiner Crew kleinere Brötchen gebacken. Ich halte solch ein Verhalten für unverantwortlich und lebensgefährlich. Vielleicht hat der Chef auch nur probiert ein paar unliebsame Mitarbeiter loszuwerden.

Wenn diese Leute dann wieder zu Hause sind, dann werden die Heldengeschichten erzählt. Ich allein im Sturm, Kein Weg als dadurch. Aber ich hab’s geschafft. So was kann ich nicht gut vertragen.

Solche Probleme hatte man mit Jan nicht. Hart segeln ja. Aber kein unnötiges Risiko eingehen. Das ist auch unsere Maxime.

Aber weiter im Text. Wir segelten also schön bei vernünftig Wind elbabwärts. Haben dabei mal gesehen, wann denn das Cockpitsüll überspült wird und wie sich Skrollan dabei verhält. Wir jubelten. Skrollan lief schnurgerade ihren Kurs und durchpflügte die Elbe. Das sah alles gut aus. Bis ich unter Deck ging um meine Notdurft zu verrichten. Beim Umherrschauen auf meinem Rodeositz bemerkte ich glitzernde Streifen, die an den Schotten herunterliefen…Wasser!!! Ich öffnete jedes Schwalbennest.. und wieder... Wasser!!!

Unendlich niedergeschlagen kehrten wir um und machten wieder in Finkenwerder fest. Ostermontag begannen wir die Dichtmasse zwischen den Schalen und der Scheuerleiste herauszuprökeln. Nachdem wir die erste Materialprobe genommen hatten, war die Ursache klar. Die Dichtmasse war in den Jahren derart porös geworden, dass sie fast wie Mosi zum Gestecke fertigen geeignet gewesen wäre.

Zwölf Tuben Pantera später war Skrollan wieder dicht. Diese Sache vergisst Claudia nicht so schnell. Claudia verabscheut Pantera an den Fingern. Bei der Durchführung dieser Tätigkeit hatte Claudia zu ihrer Freude Pantera überall. Aber: Wenn das Boot schön sein soll, muss der Mensch leiden.